Freitag,
19.09.03
20:00

Wahlverwandtschaft: Jan Skacel & Reiner Kunze

Eintritt Euro 6/ 4

Veranstalter: prolit

Wahlverwandtschaft: Jan Skacel & Reiner Kunze

Veranstalter: prolit

„Wir fuhren über die Grenze, befanden uns ein paar Sekunden in schamlosem Niemandsland, der Autobus blieb bei der österreichischen Zollstation stehen, wir stiegen aus (…), und ich sagte mir: Hier warst du also schon einmal, dieses Land kenne ich, hier ließ ich vier Jahre meines Lebens.“ (Jan Scácel: Unsentimentale Reise nach Österreich) 1942 gelangte der 20jährige Jan Scácel als Zwangsarbeiter nach Österreich – erzeugte Tiger-Panzer, betonierte Straßen, begrub Tote. Wegen wiederholter Fluchtversuche kam er ins Konzentrationslager Ebensee, wo er Tunnels für unterirdische Fabriken in den Felsen trieb – „Ein großer See und eines der schrecklichsten Vernichtungslager im ganzen Dritten Reich. … Und in der Ferne der Kamm mit ewigem Schnee und dem Namen Totengebirge.“ Die Erfahrung des Nationalsozialismus ist prägend für Scácels Dichtung und besonders für die Ballade „der blaue vogel“, die Reiner Kunze kongenial nachdichtete. Die beiden „verbotenen Menschen“ setzten ihre Lyrik gegen die erlebten Totalitarismen, den „Internationalismus“ (Kunze) durch gegenseitige Nachdichtungen übend. Der Vortrag mit Parallel-Lesung (aus dem Werk Scácels und aus Kunzes Nachdichtungen von rund 40 tschechischen Lyrikern) lädt ein zum Besuch einer sich allmählich erschließenden literarischen Landschaft. Roman Kopriva, geboren 1964, ist wissenschaftlicher Assistent am Institut für Germanistik der Masaryk-Universität in Brünn (Tschechien). Seine Arbeitsschwerpunkte sind moderne deutschsprachige Literatur, Germanoslavika und Übersetzung. 1991-1994 war er Gastlektor an der Universität Wien, 1998-2000 Franz-Werfel-Stipendiat in Wien. Zahlreiche Übersetzungen ins Tschechische, u.a. von M.Buber, G.von Le Fort, Th. Haecker. Im Herbst 2002 hielt er eine Laudatio auf Reiner Kunze aus Anlaß der Verleihung des Kunstpreises zur deutsch-tschechischen Verständigung in Berlin.