Themen
Salzburger
Bücherverbrennung
1938 : heute
Zeichen gegen Vergessen und
Intoleranz, für Mitsprache
und Zivilcourage

Wenige Wochen nach dem „Anschluss“ Österreichs an das deutsche Reich (nationalsozialistische Diktatur) fand am 30. April 1938 in der Stadt Salzburg – in Nachahmung der Bücherverbrennungen 1933 in Nazi-Deutschland – eine groß inszenierte Bücherverbrennung statt. Es war nicht die einzige in Österreich, aber wohl die medial wirksamste. Der Salzburger NS-Funktionär Karl Springenschmid wählte nicht zufällig den zentralen Residenzplatz neben dem Dom aus, um rund 1200 Bücher von jüdischen und katholischen Autorinnen und Autoren auf einem Scheiterhaufen vernichten zu lassen.
Das Gedächtnis an die „Salzburger Bücherverbrennung“ vschien fast fünfzig Jahre lang wie gelöscht. So lange dauerte es, bis 1987 eine Initiative der Salzburger Autorengruppe erstmals an dieses ungeheuerliche Vorkommnis erinnerte. Erich Fried nahm damals in seiner aufrüttelnden Rede den Vandalenakt der Salzburger Bücherverbrennung zum Anlass, von Grundsätzlichem zu sprechen – von der Vernichtung des Buches als einem symbolischen Zeichen der Auslöschung von Geist, Freiheit und Emanzipation, also von einem aktuellen und virulenten Problem unserer Gegenwart. Denn wie ein roter Flammenschein zieht sich das lodernde Rot „immergrün“ durch die Geschichte und die Kulturen. Heinrich Heine hatte seine Verse, wonach das Verbrennen von Büchern nur das „Vorspiel“ des Verbrennens von Menschen sei, auf die Vernichtung der islamischen Kultur durch die spanischen Christen gemünzt. Unzählige brandaktuelle Beispiele könnten aufgezählt werden.

2013 jährte sich zum 75. Mal die „Salzburger Bücherverbrennung 1938“. Die Salzburger INITIATIVE FREIES WORT – gegründet von Tomas Friedmann (Literaturvermittler), Albert Lichtblau (Historiker) und Karl Müller (Germanist) sowie Ingeborg Haller (Juristin; sie schied freiwillig aus der Initiative aus) – will seitdem Salzburg zu einem Ort machen, an dem kontinuierlich daran erinnert wird, dass Emanzipation, Fortschritt und Utopie sich nur in Freiheit entwickeln können. Zensur und alle Versuche, die Freiheit des Geistes, die Freiheit von Kunst, Kultur und Wissenschaft zu boykottieren, sollen aufgezeigt werden: „Wie kann man atmen ohne die Weltluft, die aus Büchern strömt?“ (Stefan Zweig)

2023 findet nicht nur am Sonntag, dem 30. April, wieder eine Matinee im Salzburg Museum statt, sondern diesmal wurden engagierte Institutionen eingeladen, zusätzlich ein eigenes Programm zu erarbeiten. Zwischen Frühjahr und Herbst finden so 13 Veranstaltungen und Aktivitäten in Stadt und Land sowie eine Fahrt nach München statt.
Programm 2023:
Freitag, 10. März 2023 | 19 Uhr
Ort: Pfarrsaal Salzburg-Herrnau, Erentrudisstr. 5
Charlotte Wiedemann: Den Schmerz der Anderen begreifen. Holocaust und Weltgedächtnis
Buchpräsentation und Gespräch [Veranstalter: Katholische Aktion]
Dienstag, 25. April 2023 | 19 Uhr
Ort: Robert-Jungk-Bibliothek, Strubergasse 18/2
Julia Ebner: Massenradikalisierung. Und wie man Widerstand dagegen leisten kann
Buchpräsentation und Gespräch [Veranstalter: Robert Jungk Bibliothek für Zukunftsfragen, Eintritt: frei, Kontakt: www.jungk-bibliothek.org]
28. April bis 31. Mai 2023 rund um die Uhr begehbar
Ort: Universitätsbibliothek Salzburg, Hofstallgasse 2-4
Ausstellung „Gegen das Vergessen …“ Gedenken an die Bücherverbrennung 1938
Begleitend zur Ausstellung in den Fenstern der Hauptbibliothek erscheint eine Broschüre, die dieses erschreckende Fanal in der „schönen Stadt“ Salzburg (Georg Trakl) dokumentiert, erhältlich ab 28.04.2023 in der Leihstelle der Hauptbibliothek. Außerdem bietet die UB im Mai 2023 Führungen durch die Fensterausstellung in der Hofstallgasse an. Termine: www.plus.ac.at/universitaetsbibliothek/news [Veranstalter:
Universitätsbibliothek Salzburg, Eintritt: frei]
Sonntag, 30. April 2023 | 11 Uhr
Ort: Salzburg Museum, Mozartplatz 1
Live-Stream -> fs1.tv/livestream
WIDERSTAND. In Erinnerung an die Salzburger Bücherverbrennung 1938
Spoken Word mit Mieze Medusa & Markus Köhle sowie Musik von Bertl Mütter; Diskussion „Kunst, Kultur, Widerstand“ mit der deutsch-iranischen Journalistin und Autorin Gilda Sahebi, der russischen Kulturwissenschaftlerin und Memorial-Mitbegründerin Irina Scherbakowa, Oliver Ressler (österreichischer Medienkünstler), Renata Schmidtkunz (Moderation)
Um ca. 12.30 Uhr beim Mahnmal auf dem Residenzplatz Rede des Historikers Robert Obermair über „Salzburg und Widerstand“ & Glockenspiel „Dona Dona“
[Veranstalter: Initiative Freies Wort mit Kooperationspartnern, Eintritt: frei, Anmeldung: office@salzburgmuseum.at, Tel. (+43 662) 620808-704]
Donnerstag, 4. Mai 2023 | 19.30 Uhr
Ort: Literaturhaus Salzburg
Dzevad Karahasan „Einübung ins Schweben“
Der bosnische Autor liest auf Deutsch aus seinem neuen Sarajewo- Roman und spricht mit Tomas Friedmann. [Veranstalter: Verein Salzburger Literaturhaus Eizenbergerhof, Eintritt: 12/10/8 Euro, Karten: Literaturhaus, karten@literaturhaus-salzburg.at, Rupertus Buchhandlung, www.reservix.at Kontakt: Tel. (+43 662) 422411]
Montag, 15. Mai 2023 | 17 Uhr
Treffpunkt: Vorplatz ÖGK, Engelbert-Weiß-Weg 10, Salzburg, Stolperstein Engelbert Weiß
Auf roten Spuren durch Salzburg. Arbeiter*innen-Widerstand in Itzling und Maxglan (Teil 1)
Zeithistorischer Stadtteilspaziergang mit Christine Steger und dem Historiker Andreas Praher [Veranstalter: Arbeiterkammer Salzburg in Kooperation mit dem KZ-Verband/VdA Salzburg, keine Teilnahmegebühr, Kontakt: www.ak-salzburg.at/spaziergang]
Montag, 15. Mai 2023 | 10 bis 18 Uhr
Ort: Kollegienkirche Salzburg
„Ich will nicht töten!“ – Texte von Kriegsdienstverweigerern aus Russland, Belarus und der Ukraine
Lesung von Peter Arp und Georg Wimmer. Audio-Installation zum Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung [Veranstalter: Friedensbüro, Katholische Hochschulgemeinde (KHG), Kollegienkirche, Kontakt: Martin Sturmer, Friedensbüro Salzburg, sturmer@friedensbuero.at, (+43 699) 1135 33 99, Eintritt: frei]
Montag, 22. Mai 2023 | 17 Uhr
Treffpunkt: Schlossergasse 1, Salzburg, Stolperstein
Johann Brandthaler
Auf roten Spuren durch Salzburg. Arbeiter*innen-Widerstand in Itzling und Maxglan (Teil 2)
Zeithistorischer Stadtteilspaziergang mit Christine Steger und dem Historiker Andreas Praher [Veranstalter: Arbeiterkammer Salzburg in Kooperation mit dem KZ-Verband/VdA Salzburg, keine Teilnahmegebühr, Kontakt: www.ak-salzburg.at/spaziergang]
Samstag, 3. Juni 2023 ganztägig
Treffpunkt um 7 Uhr in der Haupthalle des Salzburger Hauptbahnhofs
Ort: NS-Dokumentationszentrum München
Exkursion: Wenn Demokratien scheitern – Der Umgang mit Münchens NS-Vergangenheit im Heute
10.30 bis 13.30 Uhr: Seminar „Was bleibt?! Der Umgang mit der NS-Vergangenheit in München“, Sprachen: Deutsch (Ausstellung), Englisch (Seminar), Zielgruppe: AAI-Stipendiat*innen und weitere Interessierte
[Veranstalter: AAI Salzburg in Kooperation mit NS-Dokumentationszentrum München, KZ-Verband Salzburg/VdA, Stolpersteine Salzburg, gefördert durch die öster. Gesellschaft für politische Bildung, Teilnahmegebühr für Seminar: kostenlos, Fahrtkosten und Verpflegung müssen selbst getragen werden, Anmeldung erforderlich: (+43 662) 841413-12, office@aai-salzburg.at]
Samstag, 8. Juli 2023 | 09 bis ca. 12 Uhr
Ort/Treffpunkt:Goldegg im Pongau – Böndlsee
SPURENSUCHE. Der 02. Juli 1944 in Goldeggweng –
Eine geführte Themenwanderung auf den Wegen der Goldegger Deserteure mit dem Historiker Michael Mooslechner [Veranstalter: Verein der Freunde des Deserteurdenkmals in Goldegg, Teilnahmegebühr: freiwillige Spenden, Kontakt und Anmeldung: goldeggerdeserteure@gmx.at, Anmerkung: leichte Wanderung über ca. 2,8 km und mit ca. 40 hm rund um den Böndlsee]
Samstag, 8. Juli 2023 | 14 Uhr
Ort: Goldegg im Pongau – Gedenkstein am Regenerationszentrum
GEDENKVERANSTALTUNG in Erinnerung an den „Sturm auf Goldegg“ am 02. Juli 1944
Gedenkrede: Terezija Stoisits [Veranstalter: Verein der Freunde des Deserteurdenkmals in Goldegg, Kontakt: goldeggerdeserteure@gmx.at]
Samstag, 8. Juli 2023 | 9 bis ca. 15 Uhr
mit Mittagspause; Treffpunkt 8:45 – 9 Uhr
Ort: Schlossparkplatz Goldegg im Pongau
Spurensuche: Der 02. Juli 1944 in Goldeggweng
9 bis 12 Uhr: Themenwanderung auf den Wegen der Goldegger Deserteure in 6 Stationen rund um den Böndlsee mit dem Historiker Michael Mooslechner. Musikalische Begleitung: Eduard Fleissner („Technische“ Daten: Länge des Weges: 2,8 km; 40 hm; reine Gehzeit: 45 Min; Einkehrmöglichkeiten: Böndlsee:Gasthof Seeblick, Gasthof Pesbichl; Goldegg: Schloßcafe, Cafe Posauner, Gasthof Bierführer)
14 Uhr: Gedenkfeier am Gedenkstein beim Regenerationszentrum in Goldegg. Zum Thema Widerstand, Desertion und Rehabilitation spricht Terezija Stoisits. Musikalische Umrahmung: Fleissner Trio
[Veranstalter: Freunde des Deserteurdenkmals in Goldegg – Plattform fürs regionale Erinnerungskultur Anmeldung (erwünscht): goldeggerdeserteure@gmx.at]
Donnerstag, 2. November 2023 | 19.30 Uhr
Ort: Literaturhaus Salzburg
Gedenkveranstaltung mit Lesungen von O.P. Zier, Wolfgang Danzmayr, Peter Reutterer und Michael Burgholzer zum Thema „Widerstand“
[Veranstalter: Salzburger Autorengruppe Eintritt: 10 / 8 / 6 Euro, Karten: Literaturhaus, karten@literaturhaus-salzburg.at, Tel. (+43 662) 422411]
PS. Für 2024 wird am Dienstag, dem 30. April, eine Abendveranstaltung geplant.
Initiative Freies Wort

Es dauerte wieder etliche Jahre, bis 2007 der Salzburger Residenzplatz erneut zum Ort der Mahnung wurde – in einer bewegenden Veranstaltung mit engagierten Gegenwartsautor*innen, organisiert vom Zentrum für Jüdische Kulturgeschichte, von Literaturhaus, Friedensbüro, Katholische Aktion, erinnern.at und der Israelitischen Kultusgemeinde.
„Hier stehen wir und gedenken der Bücherverbrennung“ sagte Robert Schindel, „indes ununterbrochen in vielen Teilen der Welt Menschen verbrannt werden. Achten wir darauf, dass jene Symbolakte uns nicht und nie den Blick verstellen für die aktuellen Barbareien, die unter unseren Augen geschehen.“
Danach kam es zu intensiven und z.T. kontroversen Diskussionen über ein Mahnmal; heute gibt es gleich drei in der Stadt Salzburg: die Gedenktafel an der St. Michaels- Kirche (2011), das Mahnmal im Innenhof des Uniparks Nonntal (2012) und das Erinnerungsdenkmal „Buchskelett“ am Rand des Residenzplatzes (2018).

2019 – genau ein Jahr nach Enthüllung des neuen Mahnmals „Buchskelett“ von Fatemeh Nadiri und Florian Ziller am Rand des Residenzplatzes – hat die Initiative Freies Wort bei der Kulturabteilung der Stadt Salzburg Vorschläge zur Verbesserung der Sichtbarmachung und Kommunikation (Anbringung einer zweisprachigen Hinweistafel sowie QR-Code) deponiert. Und um ein Zeichen zu setzen wurde für 30. April eine Veranstaltung zum Thema „Zivilcourage“ in Erinnerung an die Bücherverbrennung im Salzburg Museum organisiert. In der Gandolph Bibliothek diskutierten die Zeitzeugin Lucia Heilman und Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich; moderiert wurde das Gespräch von Ö1-Redakteurin Renata Schmidtkunz. Danach hielt der Autor Ludwig Laher beim neuen Mahnmal eine kurze Rede zur Erinnerungskultur, vom Glockenspiel war die Komposition „S‘brent“ von Mordechaj Gebirtig zu hören – aufgegriffen wurde die Melodie von der Geigerin Marie-Christine Klettner, die bereits im Museum spielte. Unterstützt wurde diese Veranstaltung der Initiative Freies Wort von zahlreichen Insitutionen sowie von Stadt und Land Salzburg und der Universtität Salzburg.
2020 musste die geplante Veranstaltung Corona-bedingt abgesagt werden.
2021 fand unter dem Titel „HALTUNG einst : jetzt“ – wegen des bestehenden Covid-19-Veranstaltungsverbots mit Publikum – eine Live-Veranstaltung um 18 Uhr per Stream statt -> Haltung
Nach einer Rede des Schriftstellers Doron Rabinovici traten auf der Jedermann-Bühne im Innenhof des Salzburg Museums fünf engagierte Slam-Poet*innen auf: Yasmin Hafedh, Dalibor Markovic, Meral Ziegler, Tanasgol Sabbagh und Henrik Szanto. Musik kam live vom Duo Georg Winkler & Hubert Kellerer. Außerdem erklang die Komposition „S’brent“ des jüdisch-polnischen Dichters und Komponisten Mordechaj Gebirtig als Glockenspiel.
2022 durfte die Gedenkveranstaltung wieder live vor Publikum stattfinden. Unter dem Thema „WAHRHEIT“ wurde eine Matinee organisiert – um 11 Uhr im Kuenburg-Saal des Salzburg-Museums und anschließend um 12.30 beim Mahnmal am Residenzplatz. Am Podium diskutierten Barbara Blaha (Gründerin des Thinktanks Momentum und Herausgeberin), Miriam Zadoff (Historikerin und Direktorin des NS-Dokumentationszentrums München) und Ilija Trojanow (Schriftsteller und Übersetzer) mit Moderator Günther Kaindelstorfer. Die Musik kam von der Geigerin Irmgard Messin. Auf dem Residenzplatz sprach die Salzburger Autorin Brita Steinwendtner, danach erklang das neu programmierte Glockenspiel die Melodie „Dona Dona“ – aufgenommen von der Geigerin. Auch diese getreamte Live-Veranstaltung gibt es Nachzusehen und Nachzuhören -> Wahrheit
Jahrelange Kooperationspartner für Veranstaltungen in Erinnerung an die Salzburger Bücherverbrennung waren bzw. sind u.a. die Salzburger Autorengruppe, Israelitsche Kultusgemeinde Salzburg, Plattform für Menschenrechte Salzburg, Friedensbüro Salzburg, Komitee Stolpersteine, KZ-Verband/VdA Salzburg, Literaturhaus Salzburg, Salzburg Museum, Stefan Zweig Zentrum, Zentrum für Jüdische Kulturgeschichte, die Katholische Aktion, Robert Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen, AK Salzburg, AAI Salzburg, UB Salzburg, Caritasverband der Erzdiözese Salzburg, Diakonie Flüchtlingsdienst, Verein erinnern.at, Zentrum für Jüdische Kulturgeschichte. Außerdem bedankt sich die Initiative Freies Wort für die Unterstützung bei den Kulturabteilungen von Stadt und Land Salzburg sowie dem Kulturministerium in Wien.
Radio-Beitrag 1987
Über die allererste Veranstaltung in Erinnerung an die Salzburger Bücherverbrennung 1938 mit dem Schriftsteller ERICH FRIED gibt es einen ORF-Radio-Beitrag aus dem Jahr 1987.