„Straßen, hörbare Entfernung. Rasendes Gewühl. Stille als Ahnung und Kontrast. Die Zahlen und die Gewichte und die Preise in Geschäften, Gasthöfen und Museen. Das Unabgewogene im Wald, das Ungehörte von den Bächen. Einholen von Licht und von Luft und das Verschieben und Vermengen der Materie. Hitze und Unruhe. (…) Die Mitte drängt jetzt überall hin. Wo aber sind die Ränder?“ Das Randseitige und Umwegige, das Abschweifende, das scheinbar Unscheinbare stehen im Zentrum dieser „Geschichten im Vorbeiziehen“, wie der Untertitel die 30 Prosaminiaturen des Buchs von Josef Kemptner benennt. Im Vorbeiziehen mitgenommen werden Impressionen und Stimmungsbilder von Fahrradtouren durch Slowenien, Kroatien, den Böhmerwald, von Reisen ins indische Varanasi und von solchen des Erinnerns: „Er streift Ränder, schürft sich Arme und Beine auf, kratzt als Bub sich den Grind von den Knöcheln, schabt immer wieder nach Resten. Er will endlich sein eigenes Bild.“ Das Unterwegssein, das Streunen und Flanieren bestimmen die Dynamik der Texte – gedanklich assoziativ, von Bild zu Bild sucht das Denken „Strukturen im Chaos der Geschichte, heute Details für das Winkelmaß von Fotoapparaten.“ Im „Vorbeigehen und Aufheben“ und in intensivem Dialog mit – v.a. mitteleuropäischer – Literatur verbindet sich präzise Beobachtung mit einem Denken, das hinaus will über das Wahrnehmbare, den Bruchlinien historischer Momente folgend genauso wie der Flüchtigkeit und Vorläufigkeit des Moments. Knapp und fragmentarisch, dabei sinnlich konkret lassen diese Geschichten wörtlich „erfahrene“ Bilder entstehen, auftauchen, verschwinden, „Gegenwart, was ist das. Immer vorbei.“ Josef Kemptner, geboren 1947 in Laakirchen (Oberösterreich), lebt in Salzburg. Studium der Publizistik und Politikwissenschaft, langjährige Tätigkeit in der Entwicklungspolitik und beim Klimabündnis Österreich. Sammler von Ansichtskarten mit Fahrradmotiven. Veröffentlichungen: „Die Ferse der Zeit. Gedichte“ (1994). „Voltaire hat keine Nase mehr“ ist im Resistenz-Verlag erschienen.