Der zweite Abend des Portugal-Schwerpunkts ist zwei engagierten Schriftstellerinnen gewidmet. Maria Teresa Horta veröffentlichte 1972 gemeinsam mit Maria Isabel Barreno und Maria Velha da Costa die „Neuen portugiesischen Briefe“, ein Buch, dem die Frauenbewegung in Portugal entscheidende Anstöße verdankt und das – kurz vor der Nelkenrevolution – zum größten literarischen Skandal eines obsoleten Regimes geriet. Drei verschiedene Handschriften verschmelzen darin zu einem ästhetischen Novum, dessen radikaler Form ein radikaler Inhalt entspricht. In der Umfunktionierung des Mythos Mariana Alcoforado, der im Kloster von Beja eingeschlossenen, an Liebe leidenden Nonne (ihre Briefe wurden von Rilke übertragen) demontieren die „drei Marias“ die Ideologie von der passiven, subalternen Frau. Horta, geboren 1937, ist ihrem Weg als engagierte Feministin treu geblieben und thematisiert in ihrer Lyrik die Bejahung des (weiblichen) Körpers und seiner geheimen Lüste. Sie lebt in ihrer Geburtsstadt Lissabon, wo sie als Journalistin führender Tageszeitungen arbeitet. Es kommt selten vor, daß einer Frau mit 57 Jahren auf Anhieb ein literarischer Durchbruch gelingt. Dieses kleine Wunder brachte Helena Marques 1992 mit ihrem Romanerstling „O último Cais“ („Raquels Töchter“, 1997) zustande. Das Buch wurde mit bedeutenden Literaturpreisen ausgezeichnet und erreichte hohe Auflagen. Die Insel Madeira – als Kreuzungspunkt verschiedener Kulturen – ist Schauplatz dieses Buches, in dem sich individuelle und kollektive Geschichte geglückt vermischen. Gleichzeitig ist es ein Buch starker Frauenpersönlichkeiten und die Geschichte einer großen Liebe, die mit außerordentlicher Sensibilität erzählt wird. Maria Teresa Horta formulierte es so: „… in all seiner Einfachheit ein faszinierender, ein verführerischer Text – durch seine Schönheit, durch seine Kraft, die aus den kleinen Zerbrechlichkeiten, den kleinen Düften, den kleinen Vibrationen der Musik gewebt ist.“ Marques, geboren1935, lebt in Lissabon als stellvertretende Chefredakteurin einer Tageszeitung und arbeitet derzeit an ihrem dritten Roman.