– In Äthiopien ist eine Kuh gestorben! – Eine Kuh? In Äthiopien? … Und was ist Besonderes daran? – Man muß eben bedenken, warum sie gestorben ist, woran sie gestorben ist! – Und warum ist sie gestorben? – Weil Marconi in Äthiopien mit einem Todesstrahl experimentiert haben soll, der erbarmungslos alle Tiere und Menschen tötet, die er auf seinem Wege trifft! – Ja? Dann haben wir’s ja geschafft! (aus der Komödie „Raffaele“ des Sizilianers Vitaliano Brancati, 1907-1954) Nehmen Sie diesen kurzen Absatz quasi als Aperitif vor dem Rätsel Majorana, dem Rätsel über einen Jahrtausendphysiker, der, statt kleinbürgerlich-karrieristisch mit Ziel Nobelpreis vor sich hinzuhecheln, sich dem Treiben der Atomphysiker verweigerte, indem er auf rätselhafte Weise verschwand. Das vorläufige Ende dieses Treibens kennen wir: Hiroshima und Nagasaki … Und wenn wir uns einbilden, daß nach diesen zwei Opfer-Städten ein Punkt zu setzen wäre, sind wir höchstwahrscheinlich naiv. Enigma – Rätsel – ist der Titel der Ettore Majorana gewidmeten Auftragskomposition von Hossam Mahmoud. Das Auftragswerk für Countertenor (Thomas Künne) und Streichquintett (Stadler- Quartett des OENM ergänzt durch Marcus Pouget, Violoncello) integriert auch ein japanisches Volkslied, gesungen von dem jungen japanischen Tenor Masashi Tsuji (Mozarteum) aus Nagasaki, mit kleingliedrigem Schlagzeug begleitet von Keiji Iwamoto (der in den 80-er Jahren ebenfalls am Mozarteum studiert hat) aus Hiroshima. Der 1965 in Kairo geborene Komponist Hossam Mahmoud hat sich in Salzburg als „Brückenbauer“ zwischen der europäischen und der arabischen Kultur einen Namen gemacht. Für die Hofhaymer Gesellschaft hat er ab 1999 bereits drei Werke komponiert: „Trauer des Königs“ auf das letzte Bild von Henri Matisse, „Der Prophet“ nach Texten von Khalil Gibran und „Ein lebendig Wesen“ nach Texten des West-östlichen Divans (Auswahl) von Johann Wolfgang von Goethe. Seiner Komposition „Enigma“ ist ein literarisches Produkt, Leonardo Sciascias Mutmaßungen über Persönlichkeit und Schicksal des Physikers Ettore Majorana, zu Grunde gelegt, doch hier ist die Literatur nur Hilfe, Hauptgegenstand ist die Persönlichkeit Majoranas als Ausnahmeerscheinung unter den Atomphysikern vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Wolfgang Danzmayr liest eine Auswahl aus Sciascias Buch „Der Fall Majorana – ein philosophischer Kriminalroman“. Als erstes Werk des Programms dürfen wir Peter Ruzickas Streichquartettsatz „… Über ein Verschwinden“ begrüßen. Nach der Pause präsentieren wir traditionsgemäß ein großes Schubert-Werk: diesmal das G-Dur Quartett, op. 161. (Internationale Paul Hofhaymer Gesellschaft)