meine liebe mutter spinnt / hält den waschtisch für ihr kind / und mein lieber vater spinnt / mäht im Garten kahlen Wind / und ich habe mir gedacht / gib gut acht wie man es macht In einer Sammlung von Bild-Text-Collagen setzt Herta Müller in dem bibliophilen Band „Im Haarknoten wohnt eine Dame“ Bilder von Angst und Bedrängnis, Gewalt und Verrat, Macht und Ohnmacht, Fremdheit und Ortlosigkeit – die bestimmenden Themen ihrer Literatur – neu zusammen, zerschneidet und verfremdet sie, zerstört und verbindet, ver-rückt und rückt zurecht. Nur scheinbar leicht kommen diese Text-Bilder daher, hinter der kindlichen Wahrnehmung, hinter dem Spiel mit Reim und Klang und im Rhythmus von Kinder-Abzählversen tut sich eine Atmosphäre von Bedrohung auf, die ihren Hintergrund in der Erfahrung der Diktatur hat. Was aus den von Hand ausgeschnittenen Wortfragmenten und Zeitungsschnipseln entsteht, ist eine verstörende Realität, in der die Normalität auf dem Kopf steht und die gerade darum in ihrer Un-heimlichkeit sichtbar wird, eine Welt, in der die Menschen in der Angst zu Hause sind. Abschied ist ein Apfelwort / kommt so blind und rund / ins Rollen / Nasen ziehn die Koffer fort / haben keinen andern Grund / außer daß sie leben wollen Herta Müller, geboren 1953 in Nitzkydorf (Rumänien), Studium der Germanistik und Romanistik in Temesvar. Arbeitet als Übersetzerin und Lehrerin, Arbeits- und Publikationsverbot wegen ihrer Weigerung der Zusammenarbeit mit dem rumänischen Geheimdienst. Lebt seit 1987 in Deutschland, heute als freie Schriftstellerin in Berlin. Zuletzt erschienen bei Rowohlt der Essayband „Hunger und Seide“ und der Roman „Heute wär ich mir lieber nicht begegnet“. Das Werk Herta Müllers wurde mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Kleist-Preis 1994 und dem Impac-Preis 1998.