Was wollte er nicht alles sein? Asphaltdichter, Stundenhotel-, Freß- und Saufdichter. Theodor Kramer war es, und er war noch vieles mehr. Immer wieder aufs neue verblüffen der ungeheure Reichtum und die Vielgestaltigkeit seines Werkes. Die in Rumänien aufgewachsene und seit 1987 in Deutschland lebende Schriftstellerin Herta Müller lernte Kramers Verse unter den Bedingungen eines Polizeistaates kennen, in dessen Mühlen sie selbst geraten war. Der Alltag in den Fängen des Geheimdienstes – der Rhythmus der Verhöre, Hausdurchsuchungen, Verhaftungen, Fluchtversuche – eröffnete ihr einen ganz eigenen Zugang zu Kramer. Jetzt erschien der Band „Theodor Kramer. Die Wahrheit ist, man hat mir nichts getan“ (Gedichte, 1999), herausgegeben von Herta Müller. „Keine Literatur sprach diese Zustände so unerbittlich exakt und gleichzeitig so poetisch aus wie die Gedichte Kramers. Keine war so mündlich im Ton, genau wie die schönen rumänischen Volkslieder; und genau wie diese vertrackt melancholisch und vertrackt fröhlich in einem“, schreibt sie heute im Nachwort zu dieser Auswahl. Eine andere Seite Kramers entdeckte Herta Müller in den erotischen Altersgedichten. Das unvermeidliche Abdanken des Körpers und die unveränderte Lust treffen hier lachend und klagend zusammen. Buchstäblich greifbar wird die Panik der Liebe im Alter. Herta Müllers Auswahl und Bewertung machen deutlich, daß Theodor Kramer zu den bedeutendsten Lyrikern dieses Jahrhunderts zählt. Theodor Kramer (1987 bis 1958) wurde in Niederhollabrunn geboren, studierte in Wien und arbeitete anschließend im Buchhandel. 1939 emigrierte er nach Großbritannien. Veröffentlichungen: „Gesammelte Gedichte“ (in drei Bänden), „Laß still bei dir mich liegen“ (Liebesgedichte) u. a. Herta Müller wurde 1953 in Nitzkydorf (Rumänien) geboren. Seit 1987 lebt sie in Deutschland. Für ihr Werk – u. a. die Romane „Der Fuchs war damals schon der Jäger“ und „Herztier“ sowie die Essaysammlung „Hunger und Seide“ – wurde sie vielfach ausgezeichnet.