Mittwoch,
10.11.04
19:30

Das Land Null

Eintritt E 7,50

Bora Ćosić

Veranstalter: prolit, DAS KINO

Das Land Null

Veranstalter: prolit, DAS KINO

‚Lange gehe ich in dieser Gegend umher, auf der Suche nach einem Ort, wo ich mein vorheriges Leben unterbringen kann und vielleicht auch das riesige Gepäck, das allein aus der Leere meines ehemaligen Landes besteht. Und manch einer, der in dieser Straße Wohnungen vermietet, scheint die Last zu sehen, die ich hinter mir herzerre. Und zu bezweifeln, daß meine ganze Einöde in die paar Zimmer dort paßt, im dritten Stock, quer über den Hof …‘

Im Rückgriff auf Topoi der Weltliteratur, auf Film, Theater und Philosophie umkreist Bora Cosic in sieben Kapiteln Urszenen osteuropäischen Daseins. Der Mensch in der Warteschlange – steht er nicht wie vor den Toren des Paradieses? Die übervollen Magazine – sind das nicht die Dinge, die bei Hausdurchsuchungen, Verhaftungen, Deportationen eingesammelt wurden? Das durch Bombardierung halbierte Haus – ein Puppenheim, das sich verwandelt hat in den Wartesaal der Geschichte? In überzeugenden Bildern und mit den Mitteln feinster Ironie beschwört Cosic ein Klima des Absurden, beschreibt er den Zustand der Ereignislosigkeit, der Leere, des Wartens als existentielle Grundsituation und als Spektakel, in dem eine ganze Epoche ihre tragikomische Auferstehung erfährt. ‚Wenige europäische Autoren mag es geben, die sich so leidenschaftlich auf die ganze Tradition der europäischen Literatur beziehen wie Cosic … Auch wenn es gilt, an Jugoslawien zu erinnern, werden dereinst nicht die engstirnigen Verfechter jugoslawischer Größe … aufgeboten werden, sondern jene Vertriebenen, Geflüchteten oder Verstummten, die das Erbe der Vielfalt gehütet haben. Bora Cosic, ein großer euopäischer Schrifsteller im Exil, ist einer von ihnen.‘ (Karl-Markus Gauß) Anschließend an Lesung und Gespräch zeigen wir den Film ‚Die Zeugen‘ des kroatischen Filmemachers Vinko Bresan (Kroatien 2003, 88 min). Bora Cosic wurde 1932 in Zagreb geboren und wuchs in Belgrad auf, wo er Philosophie studierte und als Redakteur und Übersetzer arbeitete. Frühe surrealistische Romane wurden bei ihrem Erscheinen als ‚dekadent‘ abgelehnt, sein Erfolgsroman ‚Die Rolle meiner Familie in der Weltrevolution‘ (1969, dt: 1994) zog ein mehrjähriges Publikationsverbot nach sich. Cosic lebt seit 1995 im Berliner Exil. Zuletzt erschienen auf Deutsch u.a.: ‚Das barocke Auge‘ (Essays, 1997); ‚Bel Tempo. Jahrhundertroman‘ (1998); ‚Die Toten‘ (Gedichte, 2001). 2002 erhielt Cosic den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung. Veranstalter: prolit, DAS KINO