Freitag,
14.01.05
20:00

Heinrich. Hanna. Gert

Eintritt 6/4

Uwe Bolius

Veranstalter: erostepost

Heinrich. Hanna. Gert

Veranstalter: erostepost

‚Hanna befiel das Grauen. Ein Jahr später las sie Heinrichs Aufzeichnungen im Original. Es packte sie das gleiche Entsetzen wie ihn: ihn vor den Taten, sie vor den Worten. ‚Das kannst du unmöglich veröffentlichen!‘, empörte sie sich, ‚wer soll denn das lesen? Das ist rohes Fleisch! Hingeschmissene Stücke! Rote, rohe Fetzen, kein Buch!‘ – ‚Du hast ja Recht,‘ flüsterte Heinrich kleinlaut, sie ließ ihn nicht zu Wort kommen. ‚Ich will, dass du ein schönes Buch schreibst, über Liebe und Sex.‘ – ‚Auch mit Pornografie?‘, fragte er schüchtern. ‚Nein,‘ dachte sie nach. ‚Aber wenn sie schon vorkommt, dann muss sie vermittelt sein! Du darfst sie dem Leser nicht um die Ohren hauen, dich ans Messer liefern.‘ – ‚Okay, okay, ein schönes Buch über Liebe und Sex will ich auch. Aber dann muss ich auch über die dunkle Seite der Liebe schreiben dürfen, die Maschinenhaftigkeit, Geilheit, den Sex!‘ – ‚Kann sein, kann auch nicht sein,‘ murmelte sie, nicht sehr überzeugt. ‚Ich mag es halt lieber, wenn man die Sachen nur andeutet, nicht gleich auch ausspricht. Damit die Phantasie den leeren Raum füllen kann.‘ ‚Als Heinrich ein Jüngling war, beschloss er, die Menschheit zu retten. Kaum erwachsen beschloss er mangels Menschheit, damit bei sich selbst zu beginnen: er heiratete Hanna. Aber erst, als er die Fünfzig schon überschritten und, aus der Krise der Lebensmitte, beschlossen hatte, die Fülle der Weltrettungsthemen, die ihn beschäftigten, ein bisschen zu reduzieren, um sich für den Rest eines Lebens, der ihm noch blieb, auf ein einziges zu konzentrieren, das sinnigerweise ‚Dritte Welt‘ hiess, was die Zahl der potentiell durchzuführenden Rettungstaten nur noch erhöhte – erst da lernte er Portugiesisch und beschloss, sich auch das Filmhandwerk anzueignen.‘ Aus ‚heinrich hanna gert‘, Roman, 2002. Uwe Bolius, geboren 1940 in Linz, lebt in Wien. Er ist verheiratet und hat drei Kinder. Die liebevoll-ironische Erinnerung an die Vergangenheit, wie sie oben beschrieben ist, zeigt, daß er nichts an ihr bereuen oder zurücknehmen müßte. Im Gegenteil, noch einmal geboren, würde er wieder so leben: ‚In meinem Alter darf man es schon im Imperfekt ausdrücken: Das Leben war schön. Und, was vielleicht manche verwundert, es wird immer schöner.‘